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Pflegende Angehörige pflegt ihre Mutter

Es ist grau, nass und stürmisch, als ich Mitte Dezember nach Buchs SG fahre. Heute besuche ich Sofia, besser beschrieben als Engel auf Erden, und ihre Mutter, ich nenne sie die «Rose». Sofia ist seit einem Jahr bei AsFam SG angestellt.

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Es ist grau, nass und stürmisch, als ich Mitte Dezember nach Buchs SG fahre. Heute besuche ich Sofia, besser beschrieben als Engel auf Erden, und ihre Mutter, ich nenne sie die «Rose». Sofia ist seit einem Jahr bei AsFam SG angestellt.

Die Rose und ihre Tochter möchten anonym bleiben und auf keinen Fall mit einem Foto im «Inside AsFam» gezeigt werden. Obwohl, ich finde es schade, Sofia ist eine hübsche Frau. Auf die Frage, welches Bild ich anstelle zeigen darf, lacht Sofia und meint: «Nimm ein Bild von einer duftenden roten Rose». Das mache ich natürlich gerne.

Ich werde sehr herzlich mit offenen Armen empfangen. Grad so, als ob wir uns schon lange kennen würden. Bevor sich die Rose etwas ausruht, bringt sie mir einen feinen Kaffee. Ich unterhalte mich derweil mit Sofia, ihrer jüngsten Tochter. Wir reden über das Leben mit ihrer Mutter, die an Brust- und Knochenkrebs erkrankt ist. Als wäre das noch nicht genug, ist noch eine gemeine Polyneuropathie dazugekommen. Das ist eine sehr schmerzhafte Entzündung des zentralen Nervensystems. Täglich sind Arztbesuche, Therapien etc. auf ihrem Tagesplan. Immer mit grossen Schmerzen, Sorgen und Müdigkeit verbunden. «Die Rose ist eine sehr liebevolle Mutter, immer gewesen, darum fällt es uns Kindern leicht, sie zu pflegen», sagt Sofia voller Dankbarkeit.

Die drei Geschwister, zwei Töchter und ein Sohn, teilen sich die Aufgaben untereinander auf. Sofia kümmert sich primär um die sogenannte Grundpflege, wie auch zu Teilen um die Betreuung. Es ist schön, eine Familie mit so viel Zusammenhalt zu erleben. Sofia erzählt mir: «Meine Eltern sind beide unabhängig voneinander vor über 50 Jahren aus Griechenland in die Schweiz emigriert. Hier im Rheintal starteten sie ihr neues Leben. Sie lernten sich in Buchs SG kennen, heirateten und in grösseren Abständen kamen wir Kinder zur Welt.» Alle drei wuchsen in Griechenland bei einer Tante auf und verbrachten jeweils die dreimonatigen Sommer-Schulferien bei den Eltern in der Schweiz. «Trotz der grossen Trennung war die Bindung immer sehr eng», resümiert Sofia. Das habe ich bei meinem Besuch sehr gut gespürt.

Heute lebt die ganze Familie nahe beisammen in der Schweiz. Sofia, die einen zehnjährigen Sohn hat, ist erst seit 12 Jahren hier. Sie arbeitet noch zu 50 Prozent als Heilpädagogin für Kinder mit Behinderungen im unteren Rheintal. Durch das, dass sie ihre Arbeit selbst einteilen kann, lässt es sich für sie gut vereinbaren mit der Pflege ihrer Mutter.

Was für eine tolle Frau, die mir ihre Geschichte voller Liebe und Hingabe erzählt. Die Zeit verfliegt im Nu und unterdessen sitzt auch die Rose wieder bei uns am Kaffeetisch. Sie schwärmt von ihren Kindern und Enkeln, aber auch von Silvia, Sofias Betreuerin (FF) bei AsFam. «Wenn man so ein schweres Schicksal zu tragen hat, ist es schön zu wissen, dass man Menschen um sich hat, auf die man sich verlassen kann», sagt mir die Rose mit strahlenden Augen. «Das Leben war immer gut zu uns, doch leider ist mein geliebter Mann vor knapp einem Jahr von uns gegangen». Nicht einfach…

Wir haben viel über das Leben allgemein und das Leben als Griechin in der Schweiz gesprochen. Es ist so interessant und sehr spannend für mich, da ich Griechenland eigentlich nur aus dem Ferienprospekt kenne. All die Bräuche, die Geschichte und die vielen schönen Orte, machen mich neugierig auf einen Besuch in diesem Land. «Schau hinter Dir das Bild an der Wand. Das ist unsere Stadt, von der wir kommen. Thessaloniki, direkt am Meer, wo die grossen Schiffe vorbeifahren», sagt die Rose voller Stolz, aber auch mit ein bisschen Heimweh in den Worten. «Weisst Du», fährt sie fort, «im Herzen bleibe ich Griechin – aber meine Heimat ist die Schweiz. Denn hier ist meine Familie, mein Mann und auch ich möchte für immer hier bleiben.» Ich bin gerührt von so viel Liebe. Die Rose lädt mich ein: «Im Frühling kommst Du wieder und dann erzähl ich Dir mein ganzes Leben bei Kaffee und Kuchen auf einer Sonnenterasse in Buchs.» Sooo schön. Ich freue mich schon heute auf diesen Nachmittag.

Langsam wird es draussen dunkel und ich muss mich auf den Heimweg machen. Wir nehmen uns zum Abschied fest in die Arme. Kennt ihr den Spruch «wir kamen als Fremde zusammen und gehen als Freunde auseinander»? Genau so fühlt es sich an. Mein Herz ist voller Dankbarkeit, so tolle Menschen kennengelernt zuhaben. Ich fahre mit der Sonne Griechenlands im Herzen nach Hause.

Geschrieben von Uschi Kunz