Man stelle sich mal vor: Im Jahre 2019 sprach noch niemand über «pflegende Angehörige» (nachstehend PA genannt) und heute, nur fünf Jahre später ist das Thema in aller Munde und wird auch in Bundesbern immer mehr und mehr besprochen und ist daher auch präsenter. Politiker und Politikerinnen von links bis rechts (oder auch von rechts bis links) haben eine ganz klare Meinung dazu und äussern diese auch deutlich und lautstark. Manchmal auch unbedarft. Uns fällt auf, dass sich genau diese Meinungen teilweise um 180 Grad ändern können, wenn man sich wirklich mit dem Thema und den darauf spezialisierten Firmen auseinandersetzt.
Der allererste Bundesgerichtsentscheid zum Thema «pflegende Angehörige» geht zurück ins Jahr 2006. Seit diesem Entscheid wäre es für existierende Spitex Firmen möglich gewesen, PAs anzustellen. Leider hat sich damals niemand getraut, diese Möglichkeit anzugehen. Im Jahre 2019 gab es dank der Initiative von Prof. Dr. Hardy Landolt erneut einen Bundesgerichtsentscheid, welcher die seit 2006 mögliche Anstellung von PAs bestätigte. Wir wurden durch Hardy Landolt auf diese Möglichkeit aufmerksam und haben nicht lange überlegen müssen, da wir aus eigener Erfahrung wussten, was diese beiden Gerichtsentscheide für Betroffene bedeuten. Noch 2019 haben wir (AsFam) den Antrag auf eine Spitex Bewilligung für den Kanton Zürich gestellt, mussten uns aber wegen der damaligen Pandemie gedulden. Ende August 2020 erhielten wir dann endlich die entsprechende Bewilligung und wurden umgehend im Kanton Zürich aktiv.
Alle Statistiken sprechen von rund 600'000 betreuenden und pflegenden Angehörigen in unserem Land, aber niemand kann uns beantworten, wie viele davon wirklich «pflegende Angehörige» sind. Vermutlich handelt es sich beim Grossteil um betreuende Angehörige, will heissen, sie machen die Administration für die betroffenen Personen, gehen Einkaufen oder machen allenfalls einen Spaziergang mit diesen. Vielleicht wird auch gekocht oder die Wäsche gewaschen, aber die sogenannte «Grundpflege» müssen die betroffenen Menschen noch selbst vornehmen. Und genau hier setzt die Anstellung von «PAs» an. Denn die Grundpflege geht viel weiter. Wir und unsere Mitbewerber haben zusammen heute vermutlich 3'500 – 4’000 (Schätzung) pflegende Angehörige unter Vertrag und wir gehen davon aus, dass der Durchschnitt des täglichen Aufwandes eines PAs bei zirka zwei Stunden liegt. Monatlich also rund 220'000 Stunden, welche heute insgesamt an die verschiedenen Krankenkassen in Rechnung gestellt werden. Das sind etwas mehr als 11 Mio. CHF pro Monat oder etwas mehr als 140 Mio. CHF pro Jahr. Viel Geld.
Verglichen aber mit den totalen Gesundheitskosten der Schweiz von knapp 93 Mia. CHF im Jahr 2022 schlägt der rechnerische Anteil dieser «neu geschaffenen Branche» mit lediglich 0,15 Prozent zu Buche. Was mir persönlich zu denken gibt, ist die Tatsache, dass es seit 2006 möglich gewesen wäre PAs anzustellen, sich aber niemand traute, diesen Schritt zu wagen. Wir waren u.a. Pioniere, haben viel Aufbauarbeit geleistet und Hürden beseitigt. Jetzt, wo das Feld bestellt ist, wollen viele auf diesen Zug aufspringen. Uns als AsFam hindert das jedoch nicht, uns mit voller Kraft weiterhin für die Wertschätzung und Entlastung der pflegenden Angehörigen einzusetzen. Sei dies durch Unterstützung unserer Pflegefachleute und durch die Auszahlung von fairen Gehältern – die PAs haben es mehr wie als verdient!
Geschrieben von Ruedi Kunz